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»Leben braucht Freude«

9. Februar 2016

„Im Einvernehmen mit dem lieben Gott“

Bernhard Müller zum Tod von Johanna Gräfin von Westphalen

Als ich sie im Januar 1988 zum ersten Mal traf und in ihrem Haus Laer ein ausführliches Interview mit ihr führte, nahm ich einen ersten persönlichen Eindruck mit: „wahrer Adel“. Diese Einschätzung habe ich in den vielen späteren Begegnungen mit ihr nie verloren. Damals erschien eine PUR-Titelgeschichte über diese einzigartige Frau mit der zeitlos gültigen Aussage: „Die mutige Gräfin“. Jetzt ist Johanna von Westphalen am 21. Januar 2016 gestorben.Als engagiertes CDU-Mitglied gründete sie mit anderen Unionspolitikern 1985 die „Christdemokraten für das Leben“ und übernahm deren Vorsitz. Schon damals gehörte Courage dazu, gegen den Willen der Parteiorberen innerhalb der Union eine Lebensrechtsbewegung zu schaffen. 1987 trat sie von ihrem Posten als stellvertretende Bundesvorsitzende des „Sozialdienstes katholischer Frauen” (SKF) zurück, weil sie es nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren konnte, dass durch diesen kirchlichen Verband im Rahmen des § 219 Beratungsscheine ausgestellt wurden, die nur dazu dienten, straffrei abzutreiben. Dafür wurde sie von vielen „Freunden“ aus der CDU und der katholischen Kirche angegriffen und verunglimpft. Nur ein Jahr später gründete sie die Stiftung „Ja zum Leben“. Diese vergibt u.a. jährlich einen Stiftungspreis an Persönlichkeiten, die sich besonders für den Lebensschutz ungeborener Kinder und die Belange der Familie einsetzen. Zu den Preisträgern zählen Christa Meves, Helmut Matthies, die verstorbene Schriftstellerin Karin Struck und viele andere Publizisten und Einrichtungen. Die Gräfin war auch Mitglied im Kuratorium des „Forums deutscher Katholiken“, das jährlich den Kongress „Freude am Glauben“ veranstaltet sowie im Vorstand des Hilfswerks „Kirche in Not“. Johanna Gräfin von Westphalen stammte aus der Grafenfamilie Galen aus dem Münsterland. Sie war die Tochter von Christoph Bernhard Graf von Galen und Marie-Sophie Gräfin von Galen, geborene Kinsky von Wchinitz und Tettau. Der mutige Münsteraner Kardinal Clemens August Graf von Galen, der Adolf Hitler wie kein zweiter Kirchenmann die Stirn bot und sich gegen Euthanasie und den Holocaust einsetzte, war ihr Großonkel. Zwar gehörte sie fast 20 Jahre dem Landesvorstand der CDU in Nordrhein-Westfalen an, mit ihrer Partei ging sie dennoch auch immer wieder kritisch ins Gericht. Parteisoldat wollte sie nie sein. Obwohl Johanna Gräfin von Westphalen alles andere als publikums- oder geltungssüchtig war, wurden ihr zahlreiche Ehrungen zuteil. Etwa das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und das Großkreuz des Päpstlichen Ritterordens des heiligen Gregors des Großen. Sie versuchte stets jedes Aufsehen um ihre Person zu vermeiden, folgte freilich dennoch konsequent ihrem Gewissen, selbst wenn sie dadurch ins Rampenlicht der Öffentlichkeit geriet. Ohne jeden Anflug von Fanatismus trat sie ein Leben lang für die Ungeborenen ein. Nicht nur ihr Vorname erinnert an die Jungfrau von Orléans. Für die Mutter von sechs Kindern war „Abtreibung das Ärgste, was der Mensch in friedlichen Zeiten tun kann“. Gegen Kindestötung ist sie stets aufgetreten, immer hat sie für das Leben gekämpft. Die Kraft dazu gab ihr der Glaube und das tägliche Gebet. Ob ihr die Arbeit nicht zuviel werde und sie nicht manchmal Zweifel über deren Sinn habe, frug ich sie schon vor 20 Jahren. Johanna von Westphalen, Deutschlands noble, engagierte und aufrichtige Anwältin und Streiterin für das Lebensrecht der ungeborenen Kinder anwortete darauf: „Nein, im Gegensatz zu allem, was ich sonst so tue, kann ich mir doch hier ganz getrost sagen: Das tust du wenigstens wirklich im Einvernehmen mit dem lieben Gott.“ Mir scheint gewiss: Auch jetzt wird sie im Einvernehmen mit ihrem Schöpfer sein.

Aus: PUR-magazin 2/2016